Galileo
Aktiv-Mitglied
- Ort
- Ländle
- Mein Auto
- T5 Multivan
- Erstzulassung
- April 2007
- Motor
- TDI® 96 KW
- DPF
- ab Werk
- Motortuning
- Nein. (2,5 TDI 96 kW BNZ)
- Getriebe
- 6-Gang
- Antrieb
- Front
- Ausstattungslinie
- Startline
- Radio / Navi
- Aftermarket
- Extras
- Klima, Standheizung mit Funk, ...
- Umbauten / Tuning
- Rollstuhl-Lift an rechter Seitentür, Beifahrersitz ersetzt durch Kraftknoten für Rollstuhl.
- Typenbezeichnung (z.B. 7H)
- 7HM AD50BNZX0 300NFM6A503167GG
Hallo T5er,
ist es erlaubt, einen "alternativen" S21-Thread zu eröffnen?
Thematik soll allein die Sache sein, das Für und Wider, Risiken und Kosten, die Alternativen und deren Chancen auf Realisierung sowie die Schlichtung natürlich. Kein Thema soll hier sein: Demos und Polizeieinsätze, Betrachtungen zur Demokratie im Allgemeinen usw.
Meine Position zu dem Thema:
a) politisch im Allgemeinen bürgerlich orientiert (mit Beiträgen zur Klimadiskussion habe ich mich ja auch in diesem Forum schon als entschiedener Gegener der Grünen exponiert, ferner z.B. auch Befürworter von Kernenergie)
b) als Ing. im Allgemeinen aufgeschlossen für Fortschritt
c) als Schwabe bin ich ganz nah dran (20 km)
Und dennoch bin ich derzeit gegen die Umsetzung von Stuttgart 21 - zumindest in der derzeit geplanten Form.
Kurze Einführung zu Stuttgart 21:
Ist-Zustand
Es gibt einen Kopfbahnhof mit 17 Bahnsteiggleisen für den Fern- und Regionalverkehr, der von außen auf 6 Gleisen zugeführt wird. Um Kreuzungen beim ein- und ausfahren zu vermeiden, gibt es ein großes Gleisvorfeld mit bis zu 3 stöckigen Überwerfungsbauwerken.
Zusätzlich und komplett unabhängig davon gibt es bereits eine unterirdische S-Bahn-Röhre durch die ganze Stadt, die auch am Hauptbahnhof als unterirdischer Durchgangsbahnhof gebaut ist. Die S-Bahn bliebe von S21 komplett unberührt, der neue S21-Tiefbahnhof würde quer über der S-Bahn-Röhre liegen.
Unterirdischer Durchgangsbahnhof statt oberirdischer Kopfbahnhof
Dies ist des Pudels Kern: S21 soll Stuttgart von oberirdischen Bahngleisen befreien. Damit soll Raum für die Stadtentwicklung entstehen.
Frage ist, ob man das braucht, angesichts bereits heute leer stehender Büro- und Gewerbeflächen und voraussichtlich sinkender Einwohnerzahl, oder ob das nur die nächste Immobilienblase auslöst (wie damals in Berlin). Als das Projekt geboren wurde, wurde noch argumentiert, der Tiefbahnhof finanziere sich aus dem Verkauf der Grundstücke fast von selbst, heute weiß man, dass dies in keinem sinnvollen Verhältnis steht:
Die Bahn hat nämlich die Grundstücke, auf denen (bis mindestens 2025) noch die Züge fahren bereits 2001 zum reellen Marktpreis von nur 459 Mio. an die Stadt Stuttgart verkauft.
(Inwieweit hier bereits der Weiterverkauf solcher Grundstücke an bestimmte Leute vorab "geregelt" ist will ich garnicht wissen.)
Im Fall dass das Projekt nicht realisiert wird muss aber die Bahn vertraglich die Grundstücke zurück nehmen und den Betrag nebst 5,5% p.a. an die Stadt zurückzahlen (so viel zu den horrenden "Ausstiegskosten").
Rückbau statt Ausbau
S21 ist also NICHT ein Ausbau der bestehenden Infrastruktur, S21 ist zunächst einmal ein gewaltiger RÜCKBAU von Bahn-Infrastruktur.
D.h. unser Bahn-Netz in Stuttgart wird platt gemacht. Wir sollen dafür zwar ein neues unterirdisches Netz bekommen, dies ist aber an diversen Punkten so sparsam geplant, dass es nicht einmal die Leistungsfähigkeit des heute bestehenden Systems hat, nähere Details siehe unten.
Der Kopfbahnhof hat heute schon eine Kapazität von 17 Bahnsteiggleisen, der neue Tiefbahnhof soll sich auf 8 Bahnsteiggleise beschränken.
Der heutige Kopfbahnhof ist an 6 Fernverkehrsgleise angeschlossen, durch den Anschluss der Neubaustrecke Ulm würde das auf 8 erhöht werden. Der geplante S21-Tiefbahnhof hätte Anschluß an 4 durchgehende Ferngleise, macht in Summe der beiden Richtungen ebenfalls 8. Es fehlt ihm aber die Pufferkapazität, die der heutige Bahnhof mit 17 Bahnsteiggleisen hat. Heute können Anschlußzüge problemlos ggf. kurz warten und tun dies auch. Ist die Zahl der Bahnsteiggleise auf 8 begrenzt, dann geht das kaum noch, sie müssen raus um Platz zu machen.
Allerdings sei noch erwähnt, dass die Bahnanlagen des Kopfbahnhofes stark sanierungsbedürftig sind. Dennoch, wenn man dies mit dem Aufwand eines Tunnelsystems unter der Stadt vergleicht, ist und bleibt es der geringere Aufwand, und vor allem wäre da zumindest zur Instandhaltung allein die Bahn in der Pflicht, auch das wird sicher gerne zu den "Ausstiegskosten" hinzugerechnet.
Gegen das S21 Tunnelsystem bestehen ferner erhebliche geologische Bedenken, die zumindest weitere Kostenrisiken mit sich bringen, einige Gegner befürchten auch Schlimmeres (Schäden an Gebäuden usw.).
Fernverkehr, Magistrale Paris-Budapest, ICE-Neubaustrecke Stuttgart-Ulm
S21 ist in der Wahrnehmung von außen stark verknüpft mit dem Bau einer Magistrale Paris-Budapest. Diese Verknüpfung in der Wahrnehmung und die Verquickung in der Planung wurde bewußt geschaffen, um die ansonsten schwache Argumentation für S21 zu stärken.
Tatsächlich besteht aber nur ein geringer Zusammenhang. Die Schaffung der Magistrale hängt im Wesentlichen ab von der geplanten ICE Neubaustrecke Stuttgart - Ulm, diese Neubaustrecke kann aber sowohl an einem neuen S21-Tiefbahnhof als auch am sanierten und ausgebauten Kopfbahnhof angeschlossen werden.
Es bleibt dann lediglich die Tatsache, dass ICE-Züge im Stuttgarter Kopfbahnhof heute eine Haltezeit von 4 Minuten benötigen, wegen des Fahrtrichtungswechsels. In einem Durchgangsbahnhof könnte dies theoretisch auf 2 Minuten verkürzt werden, dies aber auch nur dann, wenn die Fahrgäste tatsächlich so schnell ein- und aussteigen, was in der Praxis kaum der Fall ist.
Der Zeitgewinn für den Fernverkehr auf Grund eines Durchgangsbahnhofs wäre also marginal.
Im Übrigen ist auch die Neubaustrecke umstritten, da sie wegen des steilen Anstiegs auf die schwäbische Alb nur von leichten Güterzügen befahren werden kann (bis 1000 t), der Trend geht aber zu schwereren Güterzügen.
Durchgehender Regionalverkehr
Heute ist es so, dass Regionalzüge aus allen Himmelsrichtungen in aller Regel am Stuttgarter Hbf beginnen oder enden. Ein Durchgangsbahnof würde dazu führen, dass Regionalzüge in aller Regel weiterfahren, d.h. der Zug der aus Osten kommt hält kurz an und fährt dann z.B. nach Südwesten oder Norden weiter.
Dies wird von den S21-Trägern als großer Vorteil proklamiert, ist aber bei näherem Hinsehen nicht wirklich interessant, denn die Fahrgäste, die mit Regionalzügen kommen, würden auch weiterhin in Stuttgart Hbf zu 90% umsteigen, entweder in den Fernverkehr, in S-Bahn, U-Bahn oder Bus, in Regionalzüge in andere Richtungen, oder sie steigen aus und gehen in die Stadt. Die Allerwenigsten würden vom Knoten des HBf aus genau dahin weiter fahren, wo dieser Zug dann hin fährt.
Durchgehende Regionalzüge sind also nicht das, was der Fahrgast in Stuttgart braucht.
Durchgehende Regionalzüge hätten sogar einen Nachteil: Jede Verspätung wird durchgebunden. Im Gegensatz dazu kann heute vom Kopfbahnhof der Zug nach Südwesten auch dann pünktlich abfahren, wenn der Zug aus Osten 15 Minuten später kommt, weil es eben nicht der selbe Zug ist.
Schnelle Anbindung neues Messegelände und Flughafen
Seit kurzem ist das neue Messegelände südlich Stuttgart auf den Fildern fertig, es liegt direkt am Flughafen. Die S-Bahn, die eine große Schleife fährt und unterwegs oft anhält benötigt dafür 27 Minuten. S21 sieht den Bau eines 9,5 km langen Tunnels vor, über den sich diese Verbindung auf 8 Minuten verkürzen würde. Er wäre allerdings nicht von der S-Bahn befahrbar sondern nur vom Fern- und Regionalverkehr.
Ein großer Teil des Fern- und Regionalverkehrs würde in einer Schleife über diesen Tunnel und den Flughafenbahnhof umgeleitet, jeder dritte ICE soll dort sogar ein zweites Mal Halt machen.
Eine schnellere Anbindung des Flughafens wird meiner Meinung nach in jedem Fall gebraucht, mit oder ohne S21, und die Gegner haben dies in ihrem Alternativkonzept ebenfalls vorgesehen.
Expertenmeinung: Mangelnde Leistungsfähigkeit des neuen S21 Bahnknotens
Die Landesregierung läßt sich bei der Planung des Verkehrskonzepts beraten von den rennomierten schweizer Experten der Firma SMA und Partner, deren Kompetenz zweifeln auch die S21-Gegner nicht an, nur leider muss SMA und Partner natürlich soweit fachlich vertretbar sich im Interesse des Auftraggebers äußern.
Dennoch hat SMA und Partner zu S21 2008 folgendes geschrieben (Quellen), Auszug:
Soweit die Sicht der von allen Seiten anerkannten Experten im Jahr 2008. Nachdem das nun bekannt wurde, versuchte man zu beschwichtigen: Es würde sich um einen "alten Stand" handeln usw., wobei ja an der Planung des Schienennetzes seit 2008 nichts mehr geändert wurde. Gleichzeitig hat man aber weiterhin Bedenken geäußert:
SMA und Partner [DLMURL="http://www.uvm.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/66249/_Stellungnahme_von_SMA_und_Partner_AG.pdf?command=downloadContent&filename=_Stellungnahme_von_SMA_und_Partner_AG.pdf"]neue Stellungnahme[/DLMURL] am 28.07.2010:
Das Dilemma
Die hier von den Experten konkret geforderten weiteren Ausbaumaßnahmen, durch die S21 ein Mindestmaß an Leistungsfähigkeit bekäme, sind aber im heutigen S21-Konzept nicht vorgesehen. Der angestrebte Fahrplan wäre somit nicht stabil fahrbar - müßte also ausgedünnt werden, wenn er nicht ständig zusammenbrechen soll.
SMA und Partner drückt das so aus:
Würde man hingegen die Infrastruktur nicht nur ausreichend sondern auch mit genug Reserven auslegen, wie sich das gehört bei einer langfristigen Planung die sich "Jahrhundertprojekt" nennt, dann würde ja alles noch viel teurer werden, was die Akzeptanz weiter verringern würde, denn noch mehr als die fehlende Leistungsfähigkeit stehen ja bereits jetzt die Kosten in der Kritik: S21 ist ein Milliardengrab mit geringem Nutzen.
Und genau dies ist das Dilemma!
Die Alternative: Kopfbahnhof 21
Dies soll nun die Alternative sein, die die Gegner verfechten: Sanierung und Ausbau des Kopfbahnhofes, wobei ebenfalls die Neubaustrecke Ulm angeschlossen wird, und für die Flughafen-Verbindung gäbe es einen Anschluss in 12 Minuten vom HBf, der allerdings 250 m näher am Terminal liegt als der in S21 vorgesehene Anschluss in 8 Minuten vom HBf. In dem Punkt ist K21 eigentlich besser, denn lieber sitze ich 4 Minuten länger im Zug als mit komplettem Gepäck 250 m zu Fuß zu gehen.
Die S21-Befürworter rechnen vor, K21 sei nur 300 Mio günstiger als S21, legen dabei aber natürlich die schöngerechneten Tunnelbaukosten zu Grunde, die nach Expertenmeinungen nicht reichen werden, und außerdem gehen sie von der derzeit geplanten S21-Sparversion aus, die nach Expertenmeinungen keinen stabilen Fahrplan ermöglicht. Die Befürworter von K21 gehen von einer erheblich höheren Differenz von mindestens 1,6 Mrd aus.
Edit: K21 hat natürlich den Nachteil, dass es nur ein Konzept ist, während S21 eine Baugenehmigung hat. Dennoch birgt auch S21 noch immer ungeklärte und kostenintensive Punkte, siehe Stern: "Stuttgart 21 - nichts als Chaos".
Vergleich der Konzepte: Siehe auch VCD.
Stand der Schlichtung
Genau diese mangelnde Leistungsfähigkeit war Thema der Schlichtung letzten Freitag, konnte aber nicht abgeschlossen werden, weil Bahn und Land eben auf die hier genannten Punkte keine Antwort geben konnten. Man darf gespannt sein, was sie da nun kommenden Freitag aus dem Hut zaubern werden.
Politischer Druck: Wahl im März
Das Alles wäre kein Thema, hätten wir nicht kommenden März Landtagswahl. Letzte Umfrage (Spiegel):
CDU 34
GRÜNE 32
SPD 19
FDP 6
LINKE 5
Und es wird so kommen, im Stuttgarter Gemeinderat kam es nämlich auch so: Die CDU ist in 2 Schritten von 38 auf 24% abgestürzt, seit 2009 sind die Grünen stärkste Fraktion, insbesondere weil 2007 seitens der Poilitik (OB und Gemeinderat) ein Bürgerentscheid trotz 67.000 Unterschriften UND entgegen Wahlversprechen gezielt umgangen und ausgehebelt wurde. Das hat die Gemüter hier bereits erhitzt.
Edit: Siehe Die Zeit: "Ausgetrickst und abgekanzelt."
Und die Grünen haben sich für die Landtagswahl klar positioniert (Tübinger OB Palmer im TV nach der Schlichtung am Freitag): Grüne Regierungsbeteiligung nur mit Stopp von S21.
Und das ist wohl der Grund, warum die CDU hier Schlichtungsgespräche veranstaltet: Meiner Meinung nach versuchen sie zunächst, die Bürger auf ihre Seite zu bringen. Gelingt das nicht, können sie im Wege der Schlichtung immer noch nachgeben und den Weg frei machen für eine Volksbefragung.
Und auch ich würde nach heutigen Stand diesmal ausnahmsweise nicht bürgerlich wählen, einerseits ebenfalls wegen der Sache, andererseits aber auch um einen Akzent dagegen zu setzen, dass die politische Kaste hier den Bürgerentscheid gezielt ausgehebelt hat und zwíschen den Wahlen macht was sie will.
Die Frau Bundeskanzlerin hat gesagt, in der Landtagswahl würde über Stuttgart 21 abgestimmt - bitte sehr, das kann sie haben.
Humor: Stuttgart 22
ist es erlaubt, einen "alternativen" S21-Thread zu eröffnen?
Thematik soll allein die Sache sein, das Für und Wider, Risiken und Kosten, die Alternativen und deren Chancen auf Realisierung sowie die Schlichtung natürlich. Kein Thema soll hier sein: Demos und Polizeieinsätze, Betrachtungen zur Demokratie im Allgemeinen usw.
Meine Position zu dem Thema:
a) politisch im Allgemeinen bürgerlich orientiert (mit Beiträgen zur Klimadiskussion habe ich mich ja auch in diesem Forum schon als entschiedener Gegener der Grünen exponiert, ferner z.B. auch Befürworter von Kernenergie)
b) als Ing. im Allgemeinen aufgeschlossen für Fortschritt
c) als Schwabe bin ich ganz nah dran (20 km)
Und dennoch bin ich derzeit gegen die Umsetzung von Stuttgart 21 - zumindest in der derzeit geplanten Form.
Kurze Einführung zu Stuttgart 21:
Ist-Zustand
Es gibt einen Kopfbahnhof mit 17 Bahnsteiggleisen für den Fern- und Regionalverkehr, der von außen auf 6 Gleisen zugeführt wird. Um Kreuzungen beim ein- und ausfahren zu vermeiden, gibt es ein großes Gleisvorfeld mit bis zu 3 stöckigen Überwerfungsbauwerken.
Zusätzlich und komplett unabhängig davon gibt es bereits eine unterirdische S-Bahn-Röhre durch die ganze Stadt, die auch am Hauptbahnhof als unterirdischer Durchgangsbahnhof gebaut ist. Die S-Bahn bliebe von S21 komplett unberührt, der neue S21-Tiefbahnhof würde quer über der S-Bahn-Röhre liegen.
Unterirdischer Durchgangsbahnhof statt oberirdischer Kopfbahnhof
Dies ist des Pudels Kern: S21 soll Stuttgart von oberirdischen Bahngleisen befreien. Damit soll Raum für die Stadtentwicklung entstehen.
Frage ist, ob man das braucht, angesichts bereits heute leer stehender Büro- und Gewerbeflächen und voraussichtlich sinkender Einwohnerzahl, oder ob das nur die nächste Immobilienblase auslöst (wie damals in Berlin). Als das Projekt geboren wurde, wurde noch argumentiert, der Tiefbahnhof finanziere sich aus dem Verkauf der Grundstücke fast von selbst, heute weiß man, dass dies in keinem sinnvollen Verhältnis steht:
Die Bahn hat nämlich die Grundstücke, auf denen (bis mindestens 2025) noch die Züge fahren bereits 2001 zum reellen Marktpreis von nur 459 Mio. an die Stadt Stuttgart verkauft.
(Inwieweit hier bereits der Weiterverkauf solcher Grundstücke an bestimmte Leute vorab "geregelt" ist will ich garnicht wissen.)
Im Fall dass das Projekt nicht realisiert wird muss aber die Bahn vertraglich die Grundstücke zurück nehmen und den Betrag nebst 5,5% p.a. an die Stadt zurückzahlen (so viel zu den horrenden "Ausstiegskosten").
Rückbau statt Ausbau
S21 ist also NICHT ein Ausbau der bestehenden Infrastruktur, S21 ist zunächst einmal ein gewaltiger RÜCKBAU von Bahn-Infrastruktur.
D.h. unser Bahn-Netz in Stuttgart wird platt gemacht. Wir sollen dafür zwar ein neues unterirdisches Netz bekommen, dies ist aber an diversen Punkten so sparsam geplant, dass es nicht einmal die Leistungsfähigkeit des heute bestehenden Systems hat, nähere Details siehe unten.
Der Kopfbahnhof hat heute schon eine Kapazität von 17 Bahnsteiggleisen, der neue Tiefbahnhof soll sich auf 8 Bahnsteiggleise beschränken.
Der heutige Kopfbahnhof ist an 6 Fernverkehrsgleise angeschlossen, durch den Anschluss der Neubaustrecke Ulm würde das auf 8 erhöht werden. Der geplante S21-Tiefbahnhof hätte Anschluß an 4 durchgehende Ferngleise, macht in Summe der beiden Richtungen ebenfalls 8. Es fehlt ihm aber die Pufferkapazität, die der heutige Bahnhof mit 17 Bahnsteiggleisen hat. Heute können Anschlußzüge problemlos ggf. kurz warten und tun dies auch. Ist die Zahl der Bahnsteiggleise auf 8 begrenzt, dann geht das kaum noch, sie müssen raus um Platz zu machen.
Allerdings sei noch erwähnt, dass die Bahnanlagen des Kopfbahnhofes stark sanierungsbedürftig sind. Dennoch, wenn man dies mit dem Aufwand eines Tunnelsystems unter der Stadt vergleicht, ist und bleibt es der geringere Aufwand, und vor allem wäre da zumindest zur Instandhaltung allein die Bahn in der Pflicht, auch das wird sicher gerne zu den "Ausstiegskosten" hinzugerechnet.
Gegen das S21 Tunnelsystem bestehen ferner erhebliche geologische Bedenken, die zumindest weitere Kostenrisiken mit sich bringen, einige Gegner befürchten auch Schlimmeres (Schäden an Gebäuden usw.).
Fernverkehr, Magistrale Paris-Budapest, ICE-Neubaustrecke Stuttgart-Ulm
S21 ist in der Wahrnehmung von außen stark verknüpft mit dem Bau einer Magistrale Paris-Budapest. Diese Verknüpfung in der Wahrnehmung und die Verquickung in der Planung wurde bewußt geschaffen, um die ansonsten schwache Argumentation für S21 zu stärken.
Tatsächlich besteht aber nur ein geringer Zusammenhang. Die Schaffung der Magistrale hängt im Wesentlichen ab von der geplanten ICE Neubaustrecke Stuttgart - Ulm, diese Neubaustrecke kann aber sowohl an einem neuen S21-Tiefbahnhof als auch am sanierten und ausgebauten Kopfbahnhof angeschlossen werden.
Es bleibt dann lediglich die Tatsache, dass ICE-Züge im Stuttgarter Kopfbahnhof heute eine Haltezeit von 4 Minuten benötigen, wegen des Fahrtrichtungswechsels. In einem Durchgangsbahnhof könnte dies theoretisch auf 2 Minuten verkürzt werden, dies aber auch nur dann, wenn die Fahrgäste tatsächlich so schnell ein- und aussteigen, was in der Praxis kaum der Fall ist.
Der Zeitgewinn für den Fernverkehr auf Grund eines Durchgangsbahnhofs wäre also marginal.
Im Übrigen ist auch die Neubaustrecke umstritten, da sie wegen des steilen Anstiegs auf die schwäbische Alb nur von leichten Güterzügen befahren werden kann (bis 1000 t), der Trend geht aber zu schwereren Güterzügen.
Durchgehender Regionalverkehr
Heute ist es so, dass Regionalzüge aus allen Himmelsrichtungen in aller Regel am Stuttgarter Hbf beginnen oder enden. Ein Durchgangsbahnof würde dazu führen, dass Regionalzüge in aller Regel weiterfahren, d.h. der Zug der aus Osten kommt hält kurz an und fährt dann z.B. nach Südwesten oder Norden weiter.
Dies wird von den S21-Trägern als großer Vorteil proklamiert, ist aber bei näherem Hinsehen nicht wirklich interessant, denn die Fahrgäste, die mit Regionalzügen kommen, würden auch weiterhin in Stuttgart Hbf zu 90% umsteigen, entweder in den Fernverkehr, in S-Bahn, U-Bahn oder Bus, in Regionalzüge in andere Richtungen, oder sie steigen aus und gehen in die Stadt. Die Allerwenigsten würden vom Knoten des HBf aus genau dahin weiter fahren, wo dieser Zug dann hin fährt.
Durchgehende Regionalzüge sind also nicht das, was der Fahrgast in Stuttgart braucht.
Durchgehende Regionalzüge hätten sogar einen Nachteil: Jede Verspätung wird durchgebunden. Im Gegensatz dazu kann heute vom Kopfbahnhof der Zug nach Südwesten auch dann pünktlich abfahren, wenn der Zug aus Osten 15 Minuten später kommt, weil es eben nicht der selbe Zug ist.
Schnelle Anbindung neues Messegelände und Flughafen
Seit kurzem ist das neue Messegelände südlich Stuttgart auf den Fildern fertig, es liegt direkt am Flughafen. Die S-Bahn, die eine große Schleife fährt und unterwegs oft anhält benötigt dafür 27 Minuten. S21 sieht den Bau eines 9,5 km langen Tunnels vor, über den sich diese Verbindung auf 8 Minuten verkürzen würde. Er wäre allerdings nicht von der S-Bahn befahrbar sondern nur vom Fern- und Regionalverkehr.
Ein großer Teil des Fern- und Regionalverkehrs würde in einer Schleife über diesen Tunnel und den Flughafenbahnhof umgeleitet, jeder dritte ICE soll dort sogar ein zweites Mal Halt machen.
Eine schnellere Anbindung des Flughafens wird meiner Meinung nach in jedem Fall gebraucht, mit oder ohne S21, und die Gegner haben dies in ihrem Alternativkonzept ebenfalls vorgesehen.
Expertenmeinung: Mangelnde Leistungsfähigkeit des neuen S21 Bahnknotens
Die Landesregierung läßt sich bei der Planung des Verkehrskonzepts beraten von den rennomierten schweizer Experten der Firma SMA und Partner, deren Kompetenz zweifeln auch die S21-Gegner nicht an, nur leider muss SMA und Partner natürlich soweit fachlich vertretbar sich im Interesse des Auftraggebers äußern.
Dennoch hat SMA und Partner zu S21 2008 folgendes geschrieben (Quellen), Auszug:
SMA und Partner 2008 schrieb:Erkenntnisse
Knapp Dimensionierte Infrastruktur (Eingleisigkeiten, Abzweige, Tiefbahnhof Stuttgart) und weitere Randbedingungen (Durchbindungen, Erhalt der Fahrplanstruktur außerhalb Stuttgarts)
-> Gestaltung des Fahrplans nur in sehr geringem Maße möglich
Hohes Stabilitätsrisiko ...
-> Gesamtsystem nur sehr schwer beherrschbar
Tiefbahnhof bietet nur geringe Pufferkapazität
Angebotsausweitungen in der Zukunft sind nur sehr bedingt realisierbar
Aufgrund der Brisanz der vorliegenden Resultate ist absolutes Stillschweigen erforderlich.
Soweit die Sicht der von allen Seiten anerkannten Experten im Jahr 2008. Nachdem das nun bekannt wurde, versuchte man zu beschwichtigen: Es würde sich um einen "alten Stand" handeln usw., wobei ja an der Planung des Schienennetzes seit 2008 nichts mehr geändert wurde. Gleichzeitig hat man aber weiterhin Bedenken geäußert:
SMA und Partner [DLMURL="http://www.uvm.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/66249/_Stellungnahme_von_SMA_und_Partner_AG.pdf?command=downloadContent&filename=_Stellungnahme_von_SMA_und_Partner_AG.pdf"]neue Stellungnahme[/DLMURL] am 28.07.2010:
SMA und Partner 2010 schrieb:Mit dem vom Land Baden-Württemberg und von DB Fernverkehr gewünschten Mengengerüst (d.h. Anzahl Züge über die verschiedenen Infrastrukturelemente) entstehen an verschiedenen Stellen fahrplantechnisch anspruchsvolle Konstruktionen. Die definitive Fahrbarkeit hierfür kann nur durch die Simulationen von DB Netz bestätigt werden.
...
Um das zu Beginn der Untersuchung identifizierte hohe Stabilitätsrisiko zu vermeiden, ist im Verlaufe der Projektbearbeitung eine angebotsplanerisch sinnvolle Fahrplankonstruktion erarbeitet worden, die die vorgesehene Menge an Zügen abbildet. Deswegen fordert DB Netz im Rahmen der durchgeführten Simulation zur Verbesserung der Betriebsqualität die folgenden Massnahmen:
- zweiter Triebfahrzeugführer an der Station Flughafen Terminal,
- überschlagene Wende bei der S-Bahn in Filderstadt,
- zweigleisiger Ausbau Station Terminal – NBS,
- 2 Überleitverbindungen vor und hinter dem Bahnsteigbereich an der Station Terminal.
Das Dilemma
Die hier von den Experten konkret geforderten weiteren Ausbaumaßnahmen, durch die S21 ein Mindestmaß an Leistungsfähigkeit bekäme, sind aber im heutigen S21-Konzept nicht vorgesehen. Der angestrebte Fahrplan wäre somit nicht stabil fahrbar - müßte also ausgedünnt werden, wenn er nicht ständig zusammenbrechen soll.
SMA und Partner drückt das so aus:
Zu deutsch: Die Infrastruktir ist zu knapp bemessen, und wir werden dann schon merken, wo man das Zugangebot einschränken muss.SMA und Partner 2010 schrieb:Eine knapp ausgelegte Infrastruktur muss nicht zwangsläufig zu Engpässen führen, sondern bedarf einer sehr intensiven und iterativen Abstimmung zwischen der verfügbaren Infrastruktur und dem gewünschten Angebot
Würde man hingegen die Infrastruktur nicht nur ausreichend sondern auch mit genug Reserven auslegen, wie sich das gehört bei einer langfristigen Planung die sich "Jahrhundertprojekt" nennt, dann würde ja alles noch viel teurer werden, was die Akzeptanz weiter verringern würde, denn noch mehr als die fehlende Leistungsfähigkeit stehen ja bereits jetzt die Kosten in der Kritik: S21 ist ein Milliardengrab mit geringem Nutzen.
Und genau dies ist das Dilemma!
Die Alternative: Kopfbahnhof 21
Dies soll nun die Alternative sein, die die Gegner verfechten: Sanierung und Ausbau des Kopfbahnhofes, wobei ebenfalls die Neubaustrecke Ulm angeschlossen wird, und für die Flughafen-Verbindung gäbe es einen Anschluss in 12 Minuten vom HBf, der allerdings 250 m näher am Terminal liegt als der in S21 vorgesehene Anschluss in 8 Minuten vom HBf. In dem Punkt ist K21 eigentlich besser, denn lieber sitze ich 4 Minuten länger im Zug als mit komplettem Gepäck 250 m zu Fuß zu gehen.
Die S21-Befürworter rechnen vor, K21 sei nur 300 Mio günstiger als S21, legen dabei aber natürlich die schöngerechneten Tunnelbaukosten zu Grunde, die nach Expertenmeinungen nicht reichen werden, und außerdem gehen sie von der derzeit geplanten S21-Sparversion aus, die nach Expertenmeinungen keinen stabilen Fahrplan ermöglicht. Die Befürworter von K21 gehen von einer erheblich höheren Differenz von mindestens 1,6 Mrd aus.
Edit: K21 hat natürlich den Nachteil, dass es nur ein Konzept ist, während S21 eine Baugenehmigung hat. Dennoch birgt auch S21 noch immer ungeklärte und kostenintensive Punkte, siehe Stern: "Stuttgart 21 - nichts als Chaos".
Vergleich der Konzepte: Siehe auch VCD.
Stand der Schlichtung
Genau diese mangelnde Leistungsfähigkeit war Thema der Schlichtung letzten Freitag, konnte aber nicht abgeschlossen werden, weil Bahn und Land eben auf die hier genannten Punkte keine Antwort geben konnten. Man darf gespannt sein, was sie da nun kommenden Freitag aus dem Hut zaubern werden.
Politischer Druck: Wahl im März
Das Alles wäre kein Thema, hätten wir nicht kommenden März Landtagswahl. Letzte Umfrage (Spiegel):
CDU 34
GRÜNE 32
SPD 19
FDP 6
LINKE 5
Und es wird so kommen, im Stuttgarter Gemeinderat kam es nämlich auch so: Die CDU ist in 2 Schritten von 38 auf 24% abgestürzt, seit 2009 sind die Grünen stärkste Fraktion, insbesondere weil 2007 seitens der Poilitik (OB und Gemeinderat) ein Bürgerentscheid trotz 67.000 Unterschriften UND entgegen Wahlversprechen gezielt umgangen und ausgehebelt wurde. Das hat die Gemüter hier bereits erhitzt.
Edit: Siehe Die Zeit: "Ausgetrickst und abgekanzelt."
Und die Grünen haben sich für die Landtagswahl klar positioniert (Tübinger OB Palmer im TV nach der Schlichtung am Freitag): Grüne Regierungsbeteiligung nur mit Stopp von S21.
Und das ist wohl der Grund, warum die CDU hier Schlichtungsgespräche veranstaltet: Meiner Meinung nach versuchen sie zunächst, die Bürger auf ihre Seite zu bringen. Gelingt das nicht, können sie im Wege der Schlichtung immer noch nachgeben und den Weg frei machen für eine Volksbefragung.
Und auch ich würde nach heutigen Stand diesmal ausnahmsweise nicht bürgerlich wählen, einerseits ebenfalls wegen der Sache, andererseits aber auch um einen Akzent dagegen zu setzen, dass die politische Kaste hier den Bürgerentscheid gezielt ausgehebelt hat und zwíschen den Wahlen macht was sie will.
Die Frau Bundeskanzlerin hat gesagt, in der Landtagswahl würde über Stuttgart 21 abgestimmt - bitte sehr, das kann sie haben.
Humor: Stuttgart 22
Zuletzt bearbeitet: