Dass das Gleitschirmfliegen eine polarisierende Sportart ist, ist mir völlig bewusst. Es erzeugt tiefe Bewunderung, Anerkennung, aber auch Neid, Missverständnis, Ablehnung. Das Image des GS-Fliegens in der Öffentlichkeit ist nicht besonders gut. Das liegt daran, dass die Fliegerei ja nur in den Negativ-Schlagzeolen auftaucht: "Wieder Paraglider abgestürzt", "Gleitschirmflieger in Baum gelandet", "Bergrettung musste Flieger aus Felswand bergen". Von den Millionen geglückter und genussvoller Flüge berichtet ja niemand. Die Presse saugt nur Dramatisches auf, nichts schlicht Schönes. Und ja: Gleitschirmfliegen ist definitiv gefährlich. das trifft aber für etliche andere Sportarten auch zu. Ich erwähne da nur das Skifahren, bei dem ich mehr Schiss habe als in der Luft.
Die hier gezeigten Videos sollen kein Werbefeldzug Pro Gleitschirm sein, sondern einfach nur zeigen, was möglich ist, wenn Könner und Kameraleute Hand in Hand arbeiten und etwas Wundervolles dabei herauskommt.
Ich kann doch auch einen Rallye-Weltmeisterschafts-Lauf zeigen, ohne zu erwarten, dass alle Zuschauer anschließend so fahren können oder wollen. Oder?
Insofern,
@Yachtie, und ich spreche Dich persönlich an, verstehe ich Deinen gegen mich gerichteten Vorwurf nicht. Nicht einmal inhaltlich. Warum wiederholt diese Anspielungen, ich stünde am Abgrund oder sei abgehoben? Sprich doch konkret aus, was genau Du sagen willst statt diffus anzuklagen.
Ich kann und werde nicht so fliegen wie die Profis in den Videos. Ich bin ein Genussflieger, Wetter und Situation stets abschätzend. Oft genug verzichte ich auf einen Flug, auch wenn andere starten. Auf diese Weise übe ich diesen Sport – der viel mehr ist als nur ein Sport, weil lebensverändernd – schon seit März 1988 aus, als ich auf einem Hügel in der Eifel das erste Mal so einen plumpen Flattermann aufzog und nach einem 3-Sekunden-Flug wusste, nichts ist mehr wie vorher. In diesen 29 Jahren habe ich mir einmal den rechten Daumen gebrochen, sonst keine Verletzungen. Ich habe aber auch zugegebenermaßen einige mal schlicht Glück gehabt. GS-Fliegen ist eine Restrisiko-Sportart, da muss man nichts beschönigen.
Heute sind die Flügel so gut und ausgereift, dass leider viel zu viele glauben, ach, "das probiere ich auch mal aus". Weil es viel zu einfach ist. Oder besser gesagt, so einfach aussieht. Wenn die Bedingungen passen, kommt ein Flugschüler schon am ersten Tag ein paar Meter in die Luft. Der Virus ist dann gesetzt.
Wir haben in Deutschland rund 35.000 Gleitschirm- und Drachenflieger, davon rund 90% GS-Flieger (Drachenfliegen stirbt langsam aus). Jedes Jahr beginnen viele Menschen in jedem Alter einen GS-Kurs, aber sehr sehr viele hören nach statistisch rund zwei Jahren wieder auf. Warum? Sie haben zwar erfolgreich ihren Pilotenschein bestanden, aber nach der Ausbildung in der Flugschule sind sie auf sich allein gestellt, müssen plötzlich oben auf dem Berg selbst abschätzen, ob es geht oder nicht. Müssen eigenständig starten können, niemand steht mehr dabei und gibt die richtigen Kommandos. Harmlosigkeit und hohe Vrletzungsgefahr stehen dicht beieinander. Die Jung-Piloten müssen Gefahren erkennen und bewerten, müssen Wolkenbilder interpretieren können. Das überfordert viele. Kommen dann Störungen in der Luft hinzu (zu starke Thermik, Windscherungen, Einfliegen in Leerotoren), ist die Hose schnell randvoll. Nicht selten gibt es Blackouts, in der Luft fatal. Denn anders als beim Radfahren kann man nicht mal eben an den Rand fahren und absteigen. Man muss den Flug zu Ende führen. Panik über eine Viertelstunde kann böse enden.
Andererseits: Wenn der Wind moderat ist, der Startplatz eben, die Laune gut und die Ausrüstung gecheckt: Dieser Flug wird garantiert gut ausgehen, seinem Piloten höchste Gnüsse und ein unvergleichliches Freiheitsgefühl vermitteln. Allein der Moment des Abhebens, diese halbe Sekunde, begeistert jedes mal aufs Neue. Abheben, fliegen, gegen die Schwerkraft nach oben steigen. Vogelgleich. Und das als Mensch. Mit ein paar Quadratmetern Nylon und ein paar Strippen dazwischen. Man nimmt in diesem Moment nichts mit, alles Unangenehme bleibt am Boden.
Fliegen DÜRFEN – das schafft jeder schnell, wenn er ein paar Wochen Zeit und nicht wenig Geld investiert. Aber wirklich fliegen KÖNNEN – das dauert Jahre. Ich kenne keine andere Sportart, die so gnadenlos die eigene Persönlichkeit fördert und fordert. Man kann in höchste Genusssphären kommen, aber auch vor Angst und Selbstzweifel verzweifeln. Viele scheitern, andere bleiben für immer dabei.
Ich lade jeden ein, mal einen Tandemflug mit zu machen. Das öffnet Augen und Herz. Und lässt Schranken im Kopf fallen.
LG
Dirk