Autogespräche vor der Spiegelscheibe

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BURSCHEID
Autogespräche vor der Spiegelscheibe

In einem ehemaligen Fernsehstudio in Leverkusen ergründet Johnson Controls den Geschmack der Kunden.

Burscheid/Leverkusen. Die drei Autositze sind hinter einem schwarzen Vorhang versteckt. Man darf sie nicht fotografieren, man darf die Automarke nicht nennen, für die sie entwickelt wurden. Schließlich handelt es um Konzepte, die erst in vier bis fünf Jahren auf den Markt kommen sollen. Wenn sie denn Gnade vor dem kritischen Auge der Konsumenten finden.

Vor dem Vorhang geht es offener zu. Vier silberne Fahrzeuge, perfekt ausgeleuchtet, sind in dem ehemaligen Fernsehstudio im Leverkusener Industriegebiet Fixheide aufgereiht: ein Mercedes B-Klasse, ein Opel Zafira, ein Renault Scenic und ein VW Touran.

Noch bis morgen schleust hier die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), Deutschlands führendes Marktforschungsinstitut, im Auftrag von Johnson Controls (JC) hundert Probanden in jeweils zwei Stunden durch die vier Autoinnenräume. Geschulte Interviewer ackern mit ihnen einen 24-seitigen Fragebogen durch, bei dem für alle denkbaren Details Noten von Eins bis Fünf vergeben werden.

Ab Montag geht es dann mit der Zielgruppenforschung weiter. Die Probanden erhalten zum Beispiel 15 Gegenstände, die sie in den jeweiligen Autos verstauen sollen: von der Sonnenbrille bis zum Karton. So erfährt der Automobilzulieferer, wie die Innenräume genutzt werden.

Normalerweise betreiben nur die Hersteller selbst so aufwändige Konsumentenforschung, "aber für uns ist das ein Wettbewerbsvorteil, weil die Mitbewerber so etwas in der Form nicht machen", sagt JC-Pressesprecherin Astrid Schafmeister. Die Probanden sind gezielt ausgewählt: Ihr Neuwagenkauf liegt maximal vier Jahre zurück und sie fahren einen der vier vertretenen Typen, bewerten aber alle.

JC will nicht nur erfahren, was besser gemacht werden kann, sondern auch, "wo vielleicht zu viel Geld investiert wurde, das der Konsument nicht sieht oder nicht wertschätzt", erklärt Silke Strauch, Leiterin der JC-Konsumentenforschung. So könnten den Herstellern bei Nachfolgemodellen auch Sparvorschläge gemacht werden.

In der Halle hat der Burscheider Interviewer Andre Mauersberger inzwischen mit seinem Probanden Ingo Bauerfeld (40) aus Köln im Touran Platz genommen. Der 29-jährige Diplom-Kaufmann legt los: "Leichtigkeit des Einstiegs?" "Eins." "Erster Eindruck?" "Eins." "Kopffreiheit?" "Eins." "Beinfreiheit?" "Eins." "Platzangebot insgesamt?" "Eins", sagt Bauerfeld und lacht.

Er fährt auch privat einen Touran "und das hat alles zur Kaufentscheidung beigetragen". Der Proband im Nachbarfahrzeug ist weniger gnädig: "Das puffige Licht ist eine Krankheit", entfährt es ihm und es hagelt nur so Dreien und Vieren.

Den Vertretern des Herstellers wäre dabei womöglich mulmig geworden, wenn sie der Testhalle gerade in dem Moment einen Besuch abgestattet hätten. In den Testfahrzeugen sind nämlich Kameras und Mikrofone installiert, die die Antworten und Reaktionen der Probanden in einen Konferenzraum übertragen. Alle vier Firmen haben sich bei Johnson Controls während der zehn Tage dauernden Untersuchung angekündigt.

Dann können sie auch hinter einer Spiegelscheibe verfolgen, wenn sich ausgewählte Testpersonen (Strauch: "Mehr Männer, weil sie in den meisten Fällen noch die Kaufentscheidung treffen") zum Beispiel darüber unterhalten, was sie mit der Marke Opel einerseits und dem Produkt Zafira andererseits verbinden. "Wenn das nicht übereinstimmt, wird es schwierig."

Probanden zu finden ist übrigens nicht schwer: "Autos sind ein Thema, über das jeder gerne redet", lacht Silke Strauch.

12.11.05
Von Ekkehard Rüger
Burscheid
Quelle: http://www.wz-newsline.de/sro.php?redid=98681
 
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