Wir lernen im Papier auf Seite 5 Carmen kennen, ein weiblicher Flüchtling aus Kolumbien – sie repariert überaus geschickt defektes Schuhwerk.
Beim Bild heisst es dann:
Der globale Pakt für Flüchtlinge soll weder zusätzliche Belastungen oder Auflagen für Länder mit einer großen Zahl von Flüchtlingen schaffen noch das Schutz- und Lösungsmandat des UNHCR ändern. Er soll auf dem seit Jahrzehnten bestehenden internationalen Flüchtlingsregime aufbauen, das jeden Tag Leben rettet, indem es Lasten und Verantwortlichkeiten gerechter und vorhersehbarer verteilt.
Das ist eine sehr ehrenvolle Absichtserklärung. Das Wort "Regime" steht auch so im Englischen. Der Pakt regelt die Zuständigkeiten im Rahmen einer Forenbildung und kommt recht schnell zum Kern der Sache:
Ab 2023 wird das Forum auch eine wichtige Funktion der Rechenschaftspflicht übernehmen. Neben der Möglichkeit, neue Zusagen zu machen, wird es den Staaten ermöglicht, eine Bestandsaufnahme der Umsetzung früherer Zusagen und anderer Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele des Global Compact vorzunehmen und die Wirksamkeit der Regelungen für die Lasten- und Verantwortungsteilung zu überprüfen. Entscheidend für diese Rechenschaftspflicht wird ein Mechanismus zur Verfolgung der Umsetzung von Zusagen und Beiträgen sein, der in Absprache mit den Mitgliedstaaten und anderen relevanten Interessengruppen festgelegt wird, sowie ein Prozess zur Messung der Auswirkungen der Aufnahme, des Schutzes und der Unterstützung von Flüchtlingen. Die Bestandsaufnahme wird anhand von Indikatoren durchgeführt, die zur Bewertung der Fortschritte entwickelt werden, und wird durch ein hochrangiges Beamtentreffen im Zweijahresrhythmus zwischen den Foren zur Durchführung einer "Halbzeitbewertung" erleichtert.
Ich finde sehr interessant, dass bei Unverbindlichkeit des Regelwerks auch eine Instanz zur Überprüfung (der Unverbindlichkeit?) festlegt. Es geht aber noch darüber hinaus, denn auf die Prüfung folgt die unmittelbare Einflussnahme:
In bestimmten großräumigen Flüchtlingskontexten - ob neu oder verlängert - sieht der globale Pakt über Flüchtlinge vor, dass ein Aufnahmestaat oder Herkunftsland, wo dies angemessen ist, insbesondere wenn es einer umfassenden Unterstützung bedarf, um auf eine großräumige Flüchtlingssituation zu reagieren, die Aktivierung einer Unterstützungsplattform durch den UNHCR zur Unterstützung seiner nationalen Reaktionsvereinbarungen und die Umsetzung eines national geführten umfassenden Plans beantragen könnte.
Das ist wirklich sehr höflich im Konjunktiv moderiert. Der Zweck ist:
Andere Interessengruppen werden aufgefordert, sich gegebenenfalls zu engagieren, einschließlich regionaler und subregionaler Organisationen und Foren, internationaler und regionaler Finanzinstitutionen, einschlägiger Einrichtungen der Vereinten Nationen, des Privatsektors und Vertreter der Zivilgesellschaft.
Hier kommen bereits die nationalen Interessen der aufnehmenden Gesellschaft(en) nicht mehr im Ansatz vor. Die Handlunsgsstränge münden unmittelbar in supranationale Kommissionen, bzw. NGOs. Ziel der Aktivitäten:
… die Einrichtung einer Unterstützungsgruppe für Asylkapazitäten, die sich aus Experten aus der ganzen Welt zusammensetzt, um die nationalen Behörden bei der Stärkung von Aspekten ihrer Asylsysteme zu unterstützen, um Fairness, Effizienz, Anpassungsfähigkeit und Integrität zu gewährleisten.
Es dürfte sehr spannend sein, zu beobachten, wie diese internationalen Experten agieren werden. Und was das für einen Einfluß auf die Bereitstellung von Asylkapazitäten nehmen wird. Neben der Bereitstellung von Kapazität (eine für Menschen in Not entsetzliche Wortwahl) geht es auch um:
… den Einsatz von Ressourcen und Fachwissen zur Unterstützung und Stärkung der nationalen Systeme in einer Weise, die den Zugang von Flüchtlingen in einer Reihe von Bereichen, einschließlich Bildung, Existenzsicherung und Gesundheit, erleichtern würde; und
… Entwicklung einer dreijährigen Strategie zur Verbesserung des Zugangs zur Neuansiedlung und zur Verbesserung der Verfügbarkeit und Vorhersehbarkeit ergänzender Wege für die Zulassung in Drittländer.
Wie das mit der Zulassung für Drittländer zu verstehen ist, weiss ich leider nicht. Die Kurzfassung des Abkommens schließ mit dem Hinweis:
Die New Yorker Erklärung sieht vor, dass die Generalversammlung den vom Hochkommissar vorgeschlagenen Global Compact "in Verbindung mit seiner jährlichen Resolution zum Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge" prüfen wird. Dieser Beschluss wird in der Regel jedes Jahr im Dezember gefasst.
Es handelt sich um ein auf Langfristigkeit dimensioniertes Projekt, bei dem eine maximale Einbeziehung von Funktionären und Organisationen zementiert wird.
Kurzum: Alles andere als "unverbindlich".